Rechnungshof warnt vor Geldverschwendung beim Bahnausbau

Ein Milliarden-Paket des Bundes soll marode Schienen modernisieren. Doch Rechnungsprüfer fürchten, dass das Geld keine Wirkung zeigen könnte. 

Defekte Stellwerke, marode Brückenübergänge, Schäden an den Gleisen: Wer häufig mit der Bahn fährt, hat die Mängel an der Infrastruktur sicherlich schon selbst zu spüren bekommen. Nämlich dann, wenn Züge nicht fahren, verspätet ankommen oder mit gedrosseltem Tempo durch die Landschaft schleichen.

Ein milliardenschweres Paket soll Abhilfe leisten. Eine Vereinbarung des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) mit der Bahn sieht vor, dass insgesamt rund 62 Milliarden Euro an Bundesmitteln über zehn Jahre in die Infrastruktur des staatseigenen Bahnkonzerns investiert werden. Hinzu kommen rund 24,2 Milliarden im Zehnjahreszeitraum, die die Bahn beisteuert. Das Geld soll der Modernisierung der Schienen dienen.

Die Zustimmung des Bundestages zu der Vereinbarung steht noch aus. Der zuständige Haushaltsausschuss soll den Entwurf aus dem BMVI an diesem Donnerstag beraten – und nach dem Willen von Verkehrsminister Andreas Scheuer auch absegnen.

Rechnungshof warnt vor hoher Geldverschwendung

Doch kurz vor der entscheidenden Sitzung hat nun der Bundesrechnungshof (BRH) interveniert. Die Rechnungsprüfer warnen vor milliardenhoher Verschwendung von Steuermitteln. In einem aktuellen Sonderbericht, der der Mittelbayerischen vorliegt, nehmen die Prüfer den geplanten Vertrag auseinander. Die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“ hatten zuerst darüber berichtet. Der Rechnungshof fordert vom Bundestag unter anderem eine viel stärkere Kontrolle der Ausgaben bei der Bahn als bislang geplant. Er will den Bundestag kurz vor dem Beschluss noch zu Korrekturen an Scheuers Entwurf bewegen.

Die Kritik der Experten des Rechnungshofes wiegt schwer: Es sei nicht sicher, ob die geplanten Milliarden wirklich die gewünschten Verbesserungen an den Schienen bewirken. Denn dem Bund fehlten zum einen Informationen über den tatsächlichen Zustand des Bahnnetzes, zum anderen übe er zu wenig Kontrolle über die Verwendung der Mittel aus. Laufen die insgesamt rund 86 Milliarden aus Steuermitteln also einfach ins Leere? Dazu gehen die Meinungen weit auseinander.

Milliarden-Vereinbarung läuft über zehn Jahre

Die Gelder, um die es hier geht, sind in der sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV) festgehalten. Dieser Vertrag zwischen BMVI und Bahn soll jetzt in seiner dritten Auflage auf den Weg gebracht werden. Er soll ab 2020 in Kraft treten und anders als in den vorangegangenen Vereinbarungen über ganze zehn Jahre laufen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der in seiner Zeit als Verkehrsminister die LuFV II auf den Weg brachte, verteidigt das Instrument gegen die Vorwürfe der Rechnungsprüfer. In der Vereinbarungen seien detaillierte Zielvorgaben bis hin zur Bahntechnik und zu den Aufgaben, die der Konzern zu erfüllen habe, formuliert. Damit werde auch eine starke Kontrolle der Zielerreichung ausgeübt, sagt Dobrindt auf Nachfrage. „Die Zielvorgaben, die erfüllt werden müssen, sind aus meiner Sicht das richtige Führungs- und Kontrollinstrument an dieser Stelle.“ Bundestag und Verkehrsministerium würden ihre Kontrollfunktionen gegenüber der Bahn so erfüllen, wie die Politik das entschieden habe, sagt Dobrindt weiter.

Mittel für barrierefreie Bahnhöfe in Ostbayern

Karl Holmeier, CSU-Abgeordneter aus Schwandorf und Mitglied im Verkehrsausschuss, begrüßt vor allem, dass die neue Vereinbarung über zehn Jahre laufen soll. Er erhofft sich davon mehr Planungssicherheit für den Schienenausbau – auch in der Region. „Ich glaube, dass es sich für Ostbayern vor allem dahingehend auswirkt, die Barrierefreiheit der Bahnhöfe herzustellen. Da sind wir ganz intensiv dran.“ Holmeier zählt verschiedene Bahnhöfe auf, die konkret profitieren könnten: Furth im Wald sei bereits jetzt im Bau, Maxhütte-Haidhof sei bereits fertig, für Schwarzenfeld sei die Planung abgeschlossen und das Geld stünde bereit, in Bodenwöhr stehe die Planung bereits, aber die Finanzierung sei noch offen. „Das hilft uns, wenn in der LuVF steht, dass auch Gelder für die Barrierefreiheit der Bahnhöfe verwendet werden kann.“ Er begrüßt auch, dass in der neuen LuFV erstmals gesonderte Bundesmittel für ein kundenfreundliches Baustellenmanagement bereitgestellt werden sollen.

„Ich glaube, dass es sich für Ostbayern vor allem dahingehend auswirkt, die Barrierefreiheit der Bahnhöfe herzustellen. Da sind wir ganz intensiv dran.“ Karl Holmeier, CSU-Abgeordneter aus Schwandorf und Mitglied im Verkehrsausschuss

Allerdings spricht sich der Schwandorfer CSU-Mann auch für eine weitere Überprüfung der Bahn-Ziele aus. Er hält einen jährlichen Bericht der Bahn für sinnvoll, in dem der Konzern über die Sanierung der Schienen Auskunft gibt. Das ist aus Holmeiers Sicht auch für die Abgeordneten im Bundestag sinnvoll, um Kenntnis über den Verlauf zu haben.

Ähnlich bewertet auch sein Parteikollege Alois Karl, Bundestagsabgeordneter für Amberg und Mitglied im Haushaltsausschuss, die Sache. Er hält die aufgestockten Investitionen im Rahmen der LuFV III für sinnvoll und sie würden auch in Ostbayern ihre Wirkung zeigen. Die langen Entscheidungs- und Planungsprozesse dagegen kritisiert Karl: Ihm gehen notwendige Vorhaben wie die Elektrifizierung der Strecke Hof – Regensburg deutlich zu langsam voran.

Was die Kritik des Rechnungshofes angeht, hält sich der CSU-Abgeordnete noch zurück. Er wartet dazu erst die Beratungen im Haushaltsausschuss am morgigen Donnerstag ab. Dennoch schließt Karl nicht aus, dass es noch Änderungen an Scheuers Entwurf zu der Milliarden-Vereinbarung nicht aus. Denn es gehe schließlich um sehr viel Geld, das würden die Haushälter genau überprüfen.

Schmidt: Verkehrsfinanzierung viel zu undurchsichtig

Ganz anders Stefan Schmidt: Der Regensburger Grünen-Abgeordnete findet die Kritik des Rechnungshofes an der Vereinbarung. „verständlich und auch berechtigt“. Das Problem sei nicht die Summe der Gelder, sondern die Transparenz der Mittelverwendung. „Wenn man sich anschaut, dass sich die Infrastruktur und die Pünktlichkeit eher verschlechtern, dann kann man diese Kritik sehr gut nachvollziehen.“

„Es bleibt einfach beim Status Quo, es verbessert sich nichts.“ Stefan Schmidt, Bundestagsabgeordneter der Grünen für Regensburg

Schmidt fordert noch klarere Zielvorgaben, was mit dem Geld erreicht und was innerhalb welcher Fristen umgesetzt werden soll. Es brauche mehr Zuverlässigkeit, denn die bisherige Verkehrsfinanzierung sei viel zu undurchsichtig. Die Wahrnehmung der Bahnfahrer und die Realität auf den Schienen beweise, dass die bisherigen Mittel zur Sanierung der Bahn nicht wirkungsvoll genug seien. „Es bleibt einfach beim Status Quo, es verbessert sich nichts.“

Welche Verbesserungen die LuFV III konkret in Ostbayern bringen wird, wagt Schmidt nicht vorherzusagen. Aber er ist sich sicher, dass eine genauere Kontrolle der Mittelverwendung, wie sie der Rechnungshof fordert, Ausbauprojekte nicht ausbremsen wird. „Ganz im Gegenteil“, sagt er.

Rechnungshof: Intransparent und nicht aussagekräftig

Der Bundesrechnungshof will auf Nachfrage aktuell noch keine Stellungnahme zu seiner im Sonderbericht formulierten Kritik abgeben. Der Bericht liege nun erst dem Haushaltsausschuss zur Prüfung vor. Allerdings sagt BRH-Sprecher Jens Hamer auf Nachfrage, dass der Bundesrechnungshof die Verhandlungen über die LuFV von Anfang an mitverfolgt habe. Man kritisiere nicht das Instrument als solches, sondern seine konkrete Ausgestaltung und Methodik. „Das Problem ist, dass die LuVF verschiedene Mängel aufweist und als System intransparent und nicht aussagekräftig ist und auf Fehlanreize setzt.“ Deswegen ziele die Kernkritik darauf ab, dieses System zu verbessern. Der Bund müsse zusehen, dass seine Mittel auch wirken. „Das muss er in die LuVF III einbringen“, sagt Hamer.

Den kompletten Text gibt es auch hier auf mittelbayerische.de.

Foto: Universaldilettant

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