Er bestreitet Ambitionen, doch kaum jemand glaubt ihm: Markus Söder mischt so oft auf Bundesebene mit, dass bei der K-Frage immer öfter sein Name fällt. Ist die Zeit reif für den Kandidaten aus Bayern?
Söder als Kanzler? Ja, wo kämen wir denn da hin! Als Ministerpräsident Bayerns regiert der Mittelfranke gerade mal ein Sechzehntel der Bundesrepublik, und die Bevölkerung, die er politisch repräsentiert, macht weniger als 16 Prozent des Landes aus. Mehr als alle anderen 15 Regierungschefs der Länder verkörpert der bayerische den Freistaat mit jeder Faser. Äußerlich in Dialekt und gerne in Trachtenjanker, politisch im staatsmännischen Habitus und Selbstverständnis. Söders Partei ist eine bayerische, auch wenn die CSU drei von 14 Bundesministerien besetzt und im Bund ohnehin schon überdurchschnittlich viel mitmischt. Kurzum: Söder steht für Bayern – und dort sollte er auch bleiben. Jenseits des Weißwurstäquators sind die Christsozialen nicht wählbar.
Viel wichtiger als Prozenterechnerei ist die Frage nach der politischen Überzeugungskraft. Ja, Markus Söder macht bisher in Bayern einen guten Job. Er reagiert flexibel auf gesellschaftliche Entwicklungen, will der CSU einen grüneren, jüngeren, weiblicheren Anstrich geben. So weit, so gut.
Söders kostspieliges Regieren
Aber Söder regiert in einer bequemen Lage: Die Freistaatskassen sind prall gefüllt, die Steuereinnahmen sprudeln noch. Da lässt sich leicht ein Milliarden-Paket für Zukunftsinvestitionen in Forschung und Mittelstand schnüren, und wird Kritik laut, legt man kurzerhand noch eine Milliarde oben drauf. Das kostspielige Regieren lässt sich auch an Landespflegegeld, Baukindergeld Plus oder Ausgleichszahlungen für Landwirte beim Artenschutz durchdeklinieren. Die Projekte mögen sinnvoll sein. Doch die Tatsache, dass der Ministerpräsident aus dem Vollen schöpfen kann, ist nicht allein sein Verdienst, sondern hängt am wirtschaftlichen Komfort Bayerns.
Wie zäh und hart Kompromisse in Berlin erkämpft werden müssen, wurde zuletzt bei der Grundrente überdeutlich. Ähnliches gilt mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse. Wie sehr hatte die CSU schon daran zu knabbern, bei der Bayernwahl 2018 erneut ihre absolute Mehrheit zu verlieren. Nun regiert sie erstaunlich reibungsfrei mit den Freien Wählern (FW). Politischen Dissens gibt es kaum und wenn, dann wird er kaschiert.
Ganz anders auf Bundesebene: Die Söder-kompatiblen FW spielen hier keine Rolle. Betrachtet man die jüngsten Umfragen, könnte im Bund das Zweierbündnis künftig passé sein. Schwarz-rot ist weit abgeschlagen, für schwarz-grün kann es knapp werden. Es stehen Zeiten komplizierter Koalitionen bevor. Dass Söder auch in schwierigen Bündnissen erfolgreich Politik machen kann, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Die Schwäche der anderen
Ein Satz Söders von Ende 2018 klingt noch nach: Das Schönste an Berlin sei, wenn man es nach getaner Arbeit wieder in Richtung Bayern verlasse. Erst vergangene Woche bestritt er erneut, Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur zu haben. Dass Söder dennoch als möglicher Kandidat gehandelt wird, hat weniger mit seiner Eignung, als viel mehr mit der Schwäche der anderen zu tun. Bundesweit ist keine Kandidatin, kein Kandidat in Sicht, der/dem man dieses Amt aus voller Überzeugung zutraut. Für Söder aber spricht das noch lange nicht.