Michael Rosenbeck hütet einen Schatz: kistenweise goldene Kolben. Er weiß um deren Wert – sein Zwillingsbruder aber rümpft die Nase.
Genau so gefällt es Michael Rosenbeck. Das Korn satt und golden. Die Kolben prall und gleichmäßig gewachsen. Jeder Einzelne für sich ist ein schimmerndes Prachtstück. Und davon besitzt Rosenbeck viele, unzählige. Er hat sie mit blauen Paketschnüren zusammengebunden. Fünf, sechs, sieben Kolben bilden ein Bündel. Diese Maiszöpfe hat er mit Nägeln an der hölzernen Stallwand befestigt. Etwa 50 in einer Reihe, Aberhunderte müssen es insgesamt sein. Sie hängen an der Front des Stalls, an den Dachbalken, über der Tür des Schuppens, am Taubenverschlag, am Hühnerstall, einfach überall. Aus der Ferne sieht es aus wie eine außergewöhnliche Dekoration des alten Bauernhofs. Ein seltsamer Spleen eines Menschen, der zu viel freie Zeit hat – könnte man meinen. Aber man meint es nur, wenn man das Wesentliche nicht verstanden hat.
Was ihm lieb und teuer ist
Michael Rosenbeck hütet den Mais wie einen Schatz. Beim Anbau geht es schon los. Er sät jedes Korn einzeln mit der Hand. Mit einem alten Ackergerät zieht er Furchen auf seinem kleinen Feldstreifen am südlichen Dorfrand von Mötzing im Landkreis Regensburg. Dann streut er das goldene Gut in die Erde. „Ich mache das wie vor 100 Jahren“, sagt der 79-Jährige. Die kräftigen Halme dürfen nicht zu eng wachsen, sonst gedeihen die Früchte nicht richtig. Rosenbecks Mais soll sich voll entfalten. Erst aus der Nähe, wenn man sich Zeit nimmt für ein Gespräch, merkt man, dass der Landwirt die Dinge, die ihm lieb und teuer sind, besonders sorgsam pflegt.
Der Schatz soll schmecken
Michael Rosenbeck schüttelt den Kopf, seinen grünen Stoffhut hat er weit in die Stirn gezogen. Die Maiskolben als Schmuck für den Hof? Nein, mit Dekoration hat das nicht zu tun. Das Korn soll im Freien trocknen, deswegen hat er es so offen ausgestellt, erzählt er. Ist die Feuchtigkeit gewichen, hängt er die Bündel ab und trägt sie auf den Dachboden. Dort oben unter dem rauen Gebälk lagert er sie in Kisten, Kübeln und Körben, stapelweise. Daneben steht eine sonderbare Apparatur: eine große, offene Holzkiste, an der eine Metallscheibe mit Noppen und einer Kurbel befestigt ist. Michael Rosenbeck hat die Vorrichtung selbst gebaut, um die Körner von den Kolben zu frisieren und sich mühsames Picken mit den Fingern zu ersparen. Die lose Saat verfüttert er dann an seine Tauben und Hühner. Wenn es seinen Federtieren schmeckt und sie gurren und gackern, ist Rosenbeck zufrieden.
Von den Rosenbecks gibt es zwei, sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Michael und Josef Rosenbeck, Jahrgang 1938, sind eineiige Zwillinge. Spaziert man die Kastnerstraße vom Hof aus dorfauswärts, gelangt man zum Haus von Josef Rosenbeck. Auf den Mais angesprochen schüttelt nun der Bruder den Kopf. „Den Mais da aufhängen, das ist einfach nicht schön.“ Schon in den 1950er Jahren habe man damit aufgehört, das Korn auf diese Art zu trocknen, sagt er. „Heute ist das altmodisch.“
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Der Text ist Teil der Serie „Angeklopft. Besuche in Ostbayern“. Es sind Geschichten über Menschen in der Region um Regensburg, die mir bei spontanen Touren begegnen. Ich habe keinen Rechercheplan oder vorgefertigte Fragen dabei, sondern lasse micht von dem leiten, was mir vor Ort begegnet. Die komplette Serie gibt’s hier.