Heimat zwischen Buchdeckeln

Michael und Johann Ziereis haben Schwarzhofen einen Bildband gewidmet. Das liebevolle Porträt brachte sie zurück in den Heimatort.

Eine Geschichte hat es Michael Ziereis besonders angetan. Sie geht so: Ein alter Mann aus Schwarzhofen liegt im Sterben, die Familie hat sich um das Sterbebett versammelt. Als dem Alten die Augen zufallen, zünden die Angehörigen die Totenkerze an, um ihn im Schein des Lichts aus dem Leben zu begleiten. Doch der Alte öffnet die Augen wieder und sagt: „Blosz däi Kirzn as, s’is no niad so weid.“ (Blast die Kerze aus, es ist noch nicht so weit.) Solange er am Leben sei, solle das wertvolle Wachs aufgespart werden. Es wäre Verschwendung.

Bis dahin noch fremd

Michael Ziereis hält kurz inne. Er hat er den Moment nicht selbst miterlebt. Doch er ist noch immer gerührt von dieser intimen Erzählung, die ihm anvertraut wurde. Vor sieben Jahren tourte der heute 36-Jährige und sein drei Jahre älterer Bruder Johann durch den Markt Schwarzhofen im Landkreis Schwandorf. Sie begegneten Menschen in ihrem Heimatort, die ihnen bis dahin fremd waren. „Die Leute hier sind so knallhart dem Leben gegenüber“, sagt Michael. „Und dann sitzt du ihnen durch Zufall gegenüber und sie erzählen dir auf eine ganz nette, ganz vertraute Art ihre Geschichten.“ Solche Momente wollten die Brüder in ihrem Buch festhalten. Sie machen Heimat für sie liebenswert.

Das Leben im Dorf

Die Szene des Sterbenden leitet das Kapitel „Tod“ ein. Dabei erzählt das Buch viel mehr vom Leben. 93 Seiten voll mit Bildern frech grinsender Mädchen vor einem Feuerwehrauto; eines Mannes, der hingebungsvoll den alten roten „Porsche-Bulldog“ in der Garage renoviert; des „Boda Max’“, des Herrenfriseurs im Dorf, der mit geschliffener Klinge in der Hand, vor einer 1930er-Jahre-Tapete stehend, einen Herren rasiert. In Fotos und kurzen Texten haben die Ziereis-Brüder das Dorfleben festgehalten. Es sind unverstellte Porträts und spontane Schnappschüsse, Bilder in kräftigen Farben, glänzendes Papier, das noch wie frisch bedruckt riecht. Es ist Schwarzhofen zum Anfassen. Heimat zwischen zwei Buchdeckeln.

Die komplette Reportage ist auf der multimedialen Plattform MZ-Stories mit Videos und Bildergalerien zu finden.

Die Geschichte ist Teil der Serie „Angeklopft. Besuche in Ostbayern“. Für die Serie unternehme ich sponante Touren in die Region, ohne Rechercheplan und vorherige Absprachen, und sammle Geschichten, die mir vor Ort begegnen. Alle Teile von „Angekopft“ sind hier zu finden.

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