Uli Grötsch nimmt die Polizei in Schutz

Der Oberpfälzer SPD-Abgeordnete Uli Grötsch wehrt den Rassismus-Vorwurf gegen Sicherheitsbehörden ab. Ganz anders sieht es mit der Bundeswehr aus.

Die Debatte über Rassismus und Polizeigewalt lässt Uli Grötsch nicht kalt. Schließlich hat der Weidener SPD-Bundestagsabgeordnete selbst viele Jahre als Polizist gearbeitet und verteidigt seine Ex-Kollegen gegen pauschale Vorwürfe. Gleichzeitig gilt er als Unterstützer der SPD-Co-Chefin Saskia Esken, die einen „latenten Rassismus“ bei den deutschen Sicherheitsbehörden beklagt hat. Eine heikle Gemengelage also. Distanziert sich Grötsch von seiner Parteichefin? Und: Welchen thematischen Pflöcke will er für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf einschlagen? Darüber spricht er im Interview mit der Mittelbayerischen.

Seit der Afroamerikaner George Floyd durch Polizeigewalt starb, ist die Debatte über Rassismus auch bei uns mit Wucht eingeschlagen. Verwundert Sie das?

Ja. Dass es in den USA strukturellen Rassismus bei der Polizei gibt und immer wieder Schwarze ermordet werden, ist nicht neu. Dass das Thema auch bei uns so stark aufkam, hat mich aber verwundert.

Sehen Sie keinen „latenten Rassismus“ bei der deutschen Polizei, den Ihre Parteivorsitzende Saskia Esken beklagt hat?

Es gibt latenten Rassismus auf der ganzen Welt und in allen Gesellschaftsschichten. Ich war über 20 Jahre lang bayerischer Polizist und befasse mich jetzt als Bundestagsabgeordneter in Berlin intensiv mit dem Thema. Im Innenausschuss konnten wir belegen, dass die Polizei – und übrigens auch alle anderen Sicherheitsbehörden – kein größeres Rassismus-Problem haben als die Gesamtgesellschaft. Eher ein kleineres.

Aber in einer Gesellschaft, in der es Rassismus gibt, betrifft das natürlich auch die Polizei – genauso wie auch alle anderen Berufsgruppen.

Hat Esken die Polizei zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt, wie das ihre Kritiker meinen?

Die Debatte ist hochsensibel und wir dürfen sie nicht zu emotional führen, sonst ist sie tot. Ich bin ausdrücklich nicht der Meinung, dass die Polizei in Bayern, Deutschland oder sonst irgendwo ein Problem mit strukturellem Rassismus hat. Aber in einer Gesellschaft, in der es Rassismus gibt, betrifft das natürlich auch die Polizei – genauso wie auch alle anderen Berufsgruppen. Saskia Esken hat ja nicht gesagt, dass es ein strukturelles Problem in der deutschen Polizei gibt. Sie sprach von „latentem Rassismus“.

Was ist der Unterschied?

Ein struktureller Rassismus ist in der Organisation verfestigt und ergibt sich aus deren Zustand. Das ist bei der Polizei nicht der Fall, weil politische Bildung schon in der Ausbildung stattfindet. Davon bräuchte es viel mehr. Ich finde es deswegen gut, dass bayerische Polizeischüler Workshops in KZ-Gedenkstätten machen. Nur so wird man immun gegen das Gift, dass auch auf die Polizei einwirkt.

Soll es eine unabhängige Beschwerdestelle geben?

Den Vorschlag eines Polizeibeauftragten beim Bundestag, analog zur Wehrbeauftragten, finde ich richtig gut. Das soll aber nicht nur eine Beschwerdestelle sein, sondern auch eine Lobbystelle für die Polizei, an die sich Polizeibeamte wenden können und die für die Polizei spricht.

Die Union verwehrt sich dagegen. Wie optimistisch sind Sie, dass sich die SPD damit durchsetzt?

Überhaupt nicht optimistisch. Der Koalitionspartner hat damit überhaupt nichts am Hut.

Soll der Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen werden?

Ja, sollte er. Carlo Schmid (ehemaliger SPD-Politiker und Staatsrechtler, d. Red.) und Co. haben das Grundgesetz nach der NS-Zeit vor einem völlig anderen Hintergrund geschrieben. Damals war das richtig, aber heute ist „Rasse“ ein Begriff von vorgestern.

Aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) gab es wieder einen Hilferuf wegen rechtsextremer Umtriebe. Was muss passieren?

Die Verteidigungsministerin muss handeln, nicht nur Konzepte anpreisen und Absichtsbekundungen abgeben. Diese Bundeswehr-Einheit arbeitet in hochsensiblen Bereichen. Wir erleben, dass es in immer kürzeren Abständen alarmierende Berichte gibt und die Probleme immer größer werden. Dieser Zustand ist unverantwortlich. Gerade das KSK muss auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.

Das KSK hat ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus, besonders in der mittleren Führungsebene.

Lässt sich hier von strukturellen Problemen reden?

Der KSK-Kommandeur Kreitmayr hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern beste Absichten. Seine Vorgänger, etwa der Ex-Kommandeur Günzel, waren zum Teil beinharte Nazis. Viele Soldaten in der Einheit haben gute Absichten und wollen ihr Land schützen. Trotzdem sage ich: Das KSK hat ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus, besonders in der mittleren Führungsebene.

Gibt es das Problem nur im KSK?

Wir befassen uns in vielen Bundestags-Gremien intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Ereignisse wie die Schießtrainings in Güstrow, verschwundene Munition, Waffen und Sprengstoff, Nazi-Devotionalien in Kasernen – das ergibt ein Gesamtbild, das das Ansehen der gesamten Bundeswehr nachhaltig beschädigt und damit auch das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland.

Das Duo Esken und Walter-Borjans will das linke SPD-Profil stärken. Erwartet uns ein Richtungswahlkampf, in dem es um große politische Linien geht?

Das komplette Interview gibt es hier auf mittelbayerische.de.