Für die katholische Studentenverbindung Agilolfia ist der AfD-Politiker Stephan Brandner nicht mehr tragbar. Der Ausschluss hat einen konkreten Anlass.
Es ist ein knapper Satz, mit dem die Agilolfia am Samstag einen in ihrer Geschichte beispiellosen Schritt verkündet hat. „Stephan Brandner ist mit dem heutigen Tag kein Mitglied des Katholischen Studentenvereins Agilolfia mehr.“ Wie die Mittelbayerische noch am Samstagabend erfuhr, beschloss der Regensburger Verein bei seiner außerordentlichen Mitgliederversammlung den Ausschluss des AfD-Politikers. Brandner selbst sagte der Mittelbayerischen, er bedauere die Entscheidung seiner ehemaligen Studentenverbindung – und erhebt zugleich Vorwürfe.
Ihre Mitteilung über den Ausschlussleitete die Agilolfia mit einem Bekenntnis zu den „Prinzipien Religion, Wissenschaft und Freundschaft“ ein. Der Studentenverein stehe in der Gesellschaft für christlich-katholische Werte ein. Mit diesen Werten lässt sich Brandners Mitgliedschaft nach Darstellung des Vereins nicht mehr vereinbaren. Brandner wollte sich am Sonntag nicht zu seinem Ausschluss äußern.
Agilolfia verurteilt Brandners Aussagen scharf
Hintergrund sind höchst umstrittene Aussagen des AfD-Bundestagsabgeordneten, insbesondere nach dem rassistisch und antisemitisch motivierten Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019. Bereits im November teilte die Agilolfia mit, die Äußerungen Brandners zu der Terrortat „auf das Schärfste“ zu verurteilen. Bundesweite Kritik zog Brandner erneut auf sich, als er die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Musiker Udo Lindenberg in Frage stellte. Lindenberg habe die Auszeichnung als „Judaslohn“ für seine scharfe Kritik an der AfD erhalten, meinte Brandner, und stellte den Musiker damit als Verräter dar.
Brandner stellt es so dar, dass die Entscheidung für seinen Ausschluss „offenbar auch von ‚höherer Stelle‘ und Verbindungsfremden so gefordert worden“ – ohne dies genauer zu begründen. „Nicht einmal in akademischen Kreisen gilt die Meinungsfreiheit mehr etwas“, sagte Brander der Mittelbayerischen. Ihm sei vonseiten der Agilolfoia etwa „meine Kritik am sogenannten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und am Sozialismus“ vorgeworfen. Zu den umstrittenen Äußerungen nach dem Anschlag von Halle bezog er nicht erneut Stellung.
Weiter sagte Brandner, er habe sich vor dem Hintergrund des in Verbindungskreisen geltenden Lebensbundprinzips, „mehr Standvermögen erwartet, zumal es unter den aktuellen Mitgliedern sogar rechtskräftig wegen Straftaten verurteilte und unter verstorbenen offenbar auch einige NSDAP-Aktive gab, wie mir erst jüngst mitgeteilt wurde.“ Das sei bisher kein Thema gewesen. Laut Brandner habe die Agilolfia nun einiges aufzuarbeiten. Er hoffe, das werde „mit der selben Intensität betrieben, wie mein Ausschluß“.
Brandner Ausschluss findet große Mehrheit
Gemäß der Satzung der Agilolfia ist für den Ausschluss eines Mitglieds eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Wie die Mittelbayerische aus Vereinskreisen erfuhr, seien bei der Versammlung am Samstag so viele Mitglieder wie noch nie seit der Wiedergründung des Vereins im Jahr 1948 anwesend gewesen. Die Entscheidung über den Ausschluss sei sehr eindeutig gefallen, heißt es.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der 1908 gegründeten Verbindung, dass sich der Verein aktiv von einem Mitglied trennt. Bislang scheiterte Brandners Ausschluss an der Vereinssatzung, in der ein solches Verfahren noch nicht vorgesehen war. Im Sommer 2019 wurde die Satzung per Beschluss geändert. Damit war der Weg für den Ausschluss formal geebnet. Die Agilolfia wollte diesen „ordentlich, satzungskonform und statthaft“ vollziehen und dabei „rechtsstaatliche Prinzipien“ wahren, teilte sie bereits im Vorfeld mit.
Brandner im Rechtsausschuss abgewählt
Im November 2019 wurde Brandner als Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag abgewählt – ein Novum in der 70-jährigen Geschichte des Parlaments. Hintergrund waren auch hier Brandners Äußerungen insbesondere nach dem Anschlag von Halle und der Verdienstkreuz-Verleihung an Lindenberg. Trotz Rücktrittsforderungen hatte Brandner an dem Posten festgehalten. Am 13. November stimmten Abgeordnete von Union, SPD, Grünen, Linken und FDP schließlich für seine Abwahl.
Brandner hatte in den frühen 1990ern in Regensburg Rechtswissenschaften studiert und war seitdem Mitglied der Agilolfia. Er war sogenannter „Alter Herr“ in dem Verein. Im Bundestag sitzt er für den Wahlkreis Erfurt, Weimar, Weimarer Land II. Bei der Bundestagswahl 2017 war er Spitzenkandidat der AfD Thüringen.
Der Text und weitere Hintergründe sind auch hier auf mittelbayerische.de zu finden.