Der Verkehrsminister versprach volle Transparenz. Davon ist jetzt nicht viel zu spüren. Nun werden die Rücktrittsforderungen immer lauter.
Es klafft himmelweit auseinander: Auf der einen Seite das Versprechen zu „maximal möglicher Transparenz“ in der Affäre um die Pkw-Maut, das der Verkehrsminister noch im Juli gab, und auf der anderen das, was nun offen auf dem Tisch liegt. Andreas Scheuer musste in dieser Woche gleich fünf weitere Geheimtreffen mit den Mautbetreibern CTS Eventim und Kapsch zugeben. Die Gespräche wurden weder vom Ministerium dokumentiert, noch wurde der Bundestag darüber informiert. Je länger die krachende Niederlage für das milliardenschwere CSU-Vorzeigeprojekt per EuGH-Urteil zurückliegt, desto mehr häufen sich die Zweifel an Scheuers Aussagen. Mit jedem weiteren Tag geht ein Stück mehr Vertrauen in den Aufklärungswillen des Ministers flöten.
Mit jedem weiteren Tag geht ein Stück mehr Vertrauen in den Aufklärungswillen des Ministers flöten.
Die nun bekannt gewordenen Geheimtreffen haben es in sich. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, sollen Spitzenvertreter der Betreiberfirmen Scheuer den Vorschlag gemacht haben, das anstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten, bevor die Verträge endgültig unterzeichnet werden. Scheuer selbst soll es gewesen sein, der zeitlich Druck machte. Das Ministerium betont zwar, dass es ein solches Angebot nie gegeben habe, doch widerlegt hat es den Vorwurf bislang nicht. Und bestritten wird auch nicht, dass Scheuer ein enormes Risiko bei dem Vertragsabschluss einging. Es sieht also danach aus, als wollte er den CSU-Erfolg schnellstmöglich nach Hause fahren – komme, was wolle.
Was nun zu kommen droht, sind haushohe Schadensersatzforderungen der Betreiber. Ein späterer Vertragsabschluss hätte dies verhindert. Summen von 700 Millionen Euro stehen im Raum, die Scheuers Mautdebakel die öffentliche Hand kosten könnten. Sie kommen zu den mehr als 53 Millionen Euro an Vorbereitungskosten dazu, die bereits jetzt verloren sind. Für den vom Minister verursachten Schaden müssen am Ende die Steuerzahler aufkommen. Und als wäre das nicht schon genug, klafft durch die Verluste im Etat des Verkehrsministeriums auch noch eine enorme Lücke. In Zeiten einer Mobilitätswende und dringend notwendiger Anstrengungen für mehr Klimaschutz ist das besonders schmerzlich.
Für Scheuer steigt der Druck. Hatte die Opposition noch im Juni „nur“ mit einem Untersuchungsausschuss gedroht, werden jetzt handfeste Rücktrittsforderungen laut. Dass die Affäre für den Verkehrsminister gefährlich werden kann, bestätigen auch Fachleute. Sollte Scheuer tatsächlich an solchen Geheimtreffen mit Folgen für den Bundeshaushalt beteiligt gewesen sein und geduldet haben, dass die Gespräche nicht dokumentiert werden, „wäre ein Rücktritt unausweichlich“, sagt etwa Wolfgang Seibel, Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften, der „Süddeutschen“. Doch schon allein ein Untersuchungsausschuss wäre für Scheuer ein Teil-Scheitern. Denn er würde belegen: Fragen sind offen geblieben, das Ministerium hat nicht für die nötige Transparenz gesorgt. Kurzum: Scheuer hat sein Versprechen gebrochen.
Um weiteren Schaden und Glaubwürdigkeitsverlust zu verhindern, muss der Verkehrsminister spätestens jetzt alles aufklären – auch wenn es für ihn noch unangenehmer wird.
Schon jetzt hat der Fall massiven Schaden angerichtet, nicht nur finanziellen. Aus Parteikalkül heraus hat der Verkehrsminister seine politische Verantwortung vernachlässigt. Die umstrittene Maut war das Prestigeprojekt der CSU, angestoßen von Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt, forciert vom damaligen Parteichef Horst Seehofer. Scheuer ist 2018 auch angetreten, um das Vorhaben gegen alle Widerstände durchzusetzen. Auf dem Weg dorthin ist ihm der Kompass verloren gegangen: Eigennutz, für die Partei und ihn persönlich, ist ihm zur Richtnadel für sein Handeln geworden, nicht der Nutzen für die Gesellschaft. Um weiteren Schaden und Glaubwürdigkeitsverlust zu verhindern, muss der Verkehrsminister spätestens jetzt alles aufklären – auch wenn es für ihn noch unangenehmer wird.
Der Leitartikel ist auch hier auf mittelbayerische.de zu finden.
Foto: BMVI