Die bayerische Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze zeigt sich wenige Tage vor der Landtagswahl in Bayern im RND-Interview optimistisch, zweitstärkste Kraft zu werden. Genervt ist sie dagegen von einem stereotypen Frauenbild in der Politik.
Frau Schulze, Sie sind mit 33 Jahren Spitzenkandidatin für die Grünen in Bayern. Sehen Sie Ihr Alter als Vor- oder als Nachteil, um sich in der bayerischen Politik durchzusetzen?
Seit 10 Jahren mache ich Politik und von Anfang an ist mein Alter Thema. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der das Alter keine Rolle spielt. Ich wünsche mir, danach bewertet zu werden, welche Politik ich mache und was ich leiste.
Ministerpräsidentin können Sie in Bayern noch nicht werden. Es gibt ein Mindestalter von 40 Jahren …
…das abgeschafft werden muss.
Bedauern Sie, dieses Amt noch nicht bekleiden zu können?
Ja, das bedauere ich. Man kann mit 39 Jahren französischer Staatspräsident werden wie Emmanuel Macron, aber mit 33 nicht Ministerpräsidentin von Bayern. Das passt nicht zusammen. Deswegen wollen wir Grüne die Altersbeschränkung abschaffen.
In welcher Koalition wäre das möglich?
Im Wahlkampf setzen wir bewusst auf ‚Grün pur‘. Wir schließen keine Koalition aus – außer mit der AfD, aber wir beteiligen uns nicht an Koalitionsspekulationen. Man kann mit uns über eine gerechte und ökologische Politik reden, nicht aber über eine anti-europäische und autoritäre. Wir wissen, dass Kompromisse zur Demokratie gehören. Allerdings werden wir bei den für uns wichtigen Themen hart in der Sache bleiben.
Wäre Ihr Anspruch in einer schwarz-grüne Koalition erfüllt?
Um ein Kernthema rauszugreifen: Wir müssen Europa weiterentwickeln und nicht nur den Status Quo verteidigen. Diesen Anspruch habe ich auch an die anderen demokratischen Parteien. Ob die CSU diesen Anspruch umsetzt, ob sie einen Richtungswechsel vollzieht und wer dann bei der CSU noch etwas zu sagen hat, das ist in den Tagen vor der Wahl reine Spekulation.
Die CSU ist nach jüngsten Umfragen auf 33 Prozent abgesackt. Kommen die CSU-Abtrünnigen Ihnen zugute?
Ich bekomme sehr viele E-Mails, eine davon lese ich Ihnen vor, weil ich davon so gerührt war: „Liebe Frau Schulze, soeben habe ich ein politisches Erdbeben ausgelöst. In 32 Jahren meiner Wahlberechtigung habe ich einmal FDP, ansonsten immer CSU gewählt. Das geht jetzt nicht mehr. Wahlgeheimnis hin oder her, ich habe nun Sie gewählt.“ Es gibt relativ viele Christlich-Wertkonservative, die sich der CSU jetzt abwenden. Eine andere Gruppe von Wählern, die sich uns zuwenden, würde ich als liberal-bürgerlich bezeichnen, darunter auch einige FDP-Wähler.
Demnach ist die Zeit reif für Schwarz-Grün in Bayern, oder?
Wir werden sehen, wie die Wählerinnen und Wähler am Ende entscheiden und das Ergebnis dann aussieht. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir Grüne verantwortungsbewusst mit dem Ergebnis umgehen werden.
Bereiten Sie parteiintern schon mögliche Koalitionen vor?
Wir haben dazu auf dem letzten Parteitag ein klares Verfahren beschlossen, denn die Zeit drängt. Laut Verfassung haben wir nur vier Wochen Zeit. Es sind also schon weitere Parteitage geplant, bei denen wir über die nächsten Schritte reden und – falls es dazu kommen sollte – über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen können. Wir haben auch ein Zehn-Punkte-Programm mit wichtigen Themen beschlossen, in denen wir etwas voranbringen wollen. Natürliche Lebensgrundlagen schützen, gleiche Rechte und Chancen für Frauen und die Demokratie stärken, um ein paar Punkte zu nennen. Durch dieses klare Vorgehen können wir uns jetzt auf den Wahlkampfendspurt konzentrieren.
Was ist Ihre persönliche Prognose für die Wahl?
Wir hatten noch nie über zehn Prozent in Bayern. Noch nie! Zu Beginn des Wahlkampfes habe ich gesagt: Dieses Mal werden wir zweistellig. Das ist das erste Ziel. Das zweite: Wir wollen zweitstärkste Kraft werden! Der zweite Platz entscheidet in meinen Augen über Bayerns Gesicht und das zeigt, in welche Richtung es gehen soll: weltoffen und pro Europa. Ich bin ganz optimistisch, dass wir diese Ziele erreichen können.
Die Regionalgruppe im Verband deutscher Redenschreiber hat ihre Rhetorik als die beste im bayerischen Landtag gekürt. Der Vorsitzende hat ihren Redestil als „frech, unkonventionell, forsch“ bezeichnet. Das spielt auch auf ihr junges Auftreten an. Nervt es Sie, von einem Mann mit solchen Attributen belegt zu werden?
Über den Preis habe ich mich total gefreut. In meinem Leben habe ich schon viele ungefragte Ratschläge bekommen, wie ich zu reden und aufzutreten hätte. Das kennen wohl viele Frauen und jüngere Leute, die Politik machen. Ich bin sehr froh, dass ich auf diese Ratschläge nicht immer gehört habe. Trotzdem hole ich mir gerne Rat ein und finde konstruktive Kritik super. Aber ich bin der Überzeugung: You really have to do it your way – man muss es auf seine eigene Art machen. In Sachen Rhetorik hatte ich ja harte Konkurrenz. Markus Söder ist zum Beispiel ein guter Redner. Dass ich mit Abstand auf Platz eins gewählt wurde, hat mich gefreut.