Ein selbstgebauter Feinstaubsensor misst die Luftverschmutzung in der Region um Regensburg. Die Regensburger Werte sind im grünen Bereich – Entwarnung gibt es nicht.
Orange war die Lage nur an einem Tag Mitte Juli. An diesem Montagmorgen gegen 10 Uhr krochen die Luftwerte auf der Farbskala ungewöhnlich weit nach oben. Erst kurz vor der kritischen roten Linie machten sie halt. Die Signallinie markiert den Grenzwert von 50 Mikrometer Feinstaubpartikel pro Kubikmeter Luft. Dieser Wert für Feinstaub der Partikelgröße PM10 darf in deutschen Städten maximal 35-mal pro Jahr überschritten werden – um Umwelt und Gesundheit zu schützen. Unser Feinstaubsensor zeigte an dem besagten Montag, 23. Juli, genau 48 Mikrometer PM10-Feinstaub an und 21 Mikrometer der Messgröße PM2,5. Orange, immerhin. Signalrot wurde es nie.
Seit Mitte Juli war unser selbst gebauter Feinstaubsensor in der Regensburger Werftstraße installiert. Die Idee: Die Redaktion der Mittelbayerischen misst in einem Selbsttest den Feinstaub in und um Regensburg. Wir wollen herausfinden, ob man in der Region noch unbeschwert durchatmen kann.
Viele Autos und viele Schiffe
Der Ort: Die Werftstraße liegt nah an der Regensburger Innenstadt, aber gerade noch außerhalb der Umweltzone. In Sichtweite liegt die Nibelungenbrücke, eine der viel befahrensten Achsen in der Stadt – und viele Ausflugs- und Kreuzfahrschiffe. Die großen schwimmenden Hotels mit großen stinkenden Motoren, die die Donau in den Sommermonaten stark befahren, legen direkt dort am Ufer an. Die Annahme: Dort ist die Luft besonders schlecht.
Unsere Messwerte bestätigen die Annahme nicht. Mittwochs um 8 Uhr früh: grün. Samstags gegen 17 Uhr: grün. Dienstags um halb 10 früh: grün. Donnerstags um halb sechs abends: grün. Weder wochentags noch am Wochenende erreichen die Werte kritische Bereiche. Die PM10-Werte liegen meist zwischen drei bis 48 Mikrometer pro Luft-Kubikmeter, die PM2,5-Werte bei vier bis 21 Mikrometer.
PM beschreibt die Messgröße der Feinstaubpartikel. Aus medizinischer Sicht ist der Feinstaub umso schädlicher, je feiner die Staubkörnchen sind. Größere Partikel kann der menschliche Körper durch eigene Schutz- und Abwehrmechanismen filtern, zum Beispiel durch Härchen in der Nase. Ultrafeiner Staub hingegen dringt tiefer in die Lunge ein. „Dadurch kann das System verstopfen, dass für unsere Atmung und den Sauerstoffaustausch zuständig ist“, erklärt Michael Kabesch, Kinderlungenfacharzt und Chefarzt an der Klinik Barmherzige Brüder.
Hier lesen Sie ein Interview mit Lungenfacharzt Michael Kabesch. Laut dem Mediziner täuscht das feinstaub-freundliche Wetter der vergangenen Wochen über die schlechte Luft hinweg. Im Kampf gegen die Belastung kann die Regenburger Umweltzone nur ein Anfang sein, meint er.
Mäuse messen, nicht Elefanten
Vom Umweltbundesamt, das in vielen Städten bundesweit Messstationen betreibt und Grenzwerte ausgibt, wird in Regensburg lediglich PM10-Feinstaub erfasst. Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt, das eine Messstation unter anderem am Regensburger Rathaus betreibt, erfasst nur PM10-Werte. Die feineren PM2,5-Partikel tauchen in offiziellen Tabellen für die Region also nicht auf. Aus Sicht von Michael Kabesch machen diese Erhebungen wenig Sinn. Er beschreibt es anschaulich: „PM10 ist der Elefant unter den Feinstaubpartikeln“, sagt der Mediziner. „Das Umweltbundesamt misst, wie viele Elefanten durch Regensburg laufen, obwohl unser Problem eigentlich die Mäuse sind.“
Der Feinstaubsensor, den wir für unseren Selbsttest nutzen, folgt der Idee des OK Labs Stuttgart. Das Team von Aktivisten stellt im Netz eine Karte zur Verfügung, auf der man Luftwerte in Echtzeit abrufen kann – auch der MZ-Sensor ist in diesem Netz registriert. Die Idee der Stuttgarter ist, Bürgern die Möglichkeit zu geben, selbst Werte zu erheben, und diese der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Jan A. Lutz und das OK Lab Stuttgart stellen im Netz Luftwerte in Echtzeit zur Verfügung. Die Daten aber kommen von Bürgern. Hier lesen Sie ein Interview mit dem Open-Data-Aktivisten!
Genauigkeit des Sensors in Frage gestellt
Nach der ersten Berichterstattung über unseren Feinstaub-Test meldete sich Achim Dittler, Professor am Karlsruher Institut für Technologie und Leiter der Arbeitsgruppe Gas-Partikel-Systeme zu Wort. Laut Dittler ist die Messgenauigkeit der Sensoren, die vom Stuttgarter OK Lab eingesetzt werden, nicht präzise genug. Die Sensoren messen demnach Teilchen in einem Größenbereich von 0,3 bis 3 Mikrometer sehr genau und können sichtbare Emissionen wie Rauch von Zigaretten, Holzfeuerungen oder Holzkohlegrills erfassen. Feinere Partikeln, zum Beispiel von Diesel- oder Benzinmotoren, erkennen die Sensoren laut dem Ingenieur aber nicht.
Auch sei das Signal der Sensoren nicht feuchtigkeitskorrigiert. Konkret hieße das: Zieht eine Nebelschwade am Sensor vorbei, würde diese als Feinstaub ausgegeben. „Das führt zu einer Verunsicherung der Bürger“, sagt Dittler gegenüber der Mittelbayerischen. „Gerade in einer Zeit, in der wir faktenbasiert berichten müssen, tun wir gut daran, auch auf die Grenzen der Messtechnik hinzuweisen.“ Zugleich zeigt sich Dittler begeistert von der Initiative des OK Labs. „Dafür habe ich Hochachtung.“
Auch der Lungenfacharzt Kabesch ist begeistert von der Idee. „Ich finde das großartig, weil es jeden in die Lage versetzt, selbst zu messen.“ Mediziner, Aktivist und Ingenieur sind sich einig darin, dass die Luft sauberer werden muss. Unsere grünen Messwerte allein reichen also nicht zur Entwarnung.