Karriere oder Familie? Geld verdienen oder Sinn stiften? In der Generation Y heißt es nicht „oder“, sondern „und“. Viele der nach 1980 Geborenen wollen private und berufliche Ziele vereinen – und krempeln dafür die Arbeitswelt um. Wir haben uns bei jungen Menschen in der Region umgehört.
Unternehmen führen können auch junge Mütter. Elisabeth Gruber und Barbara Holz machen es vor. Die Zwillingsschwestern leiten gemeinsam ein Familienunternehmen im niederbayerischen Straubing. Gruber-Folien heißt die Verpackungsfirma, die beiden 36-Jährigen sind von klein auf dort hineingewachsen. Es gibt diese besondere Verbundenheit zum Unternehmen, sagt Elisabeth Gruber. „Man kann sich nicht entziehen.“ Das hat sich auch nicht geändert, als beide ein Kind bekamen: beide im vergangenen Jahr – Elisabeth Gruber im Juli, Barbara Holz im Dezember – beide einen Sohn. Jetzt sind sie eben Mütter und Geschäftsführerinnen.
„Ich vertrödle definitv keine Zeit, weil ich weiß, ich hab‘ sie nicht.“ Barbara Holz
Ihr Fall ist ein besonderer – und trotzdem ist er typisch für die sogenannte „Generation Y“. Weitere Definitionen fassen darunter junge Menschen, die im Zeitraum der frühen 1980er bis frühen 2000er geboren wurden, engere sprechen von den heute 25- bis 35-Jährigen. Journalisten wie Wissenschaftler haben dieser Alterskohorte schon viele Stempel aufgedrückt: „Generation Weichei“ schrieb die „FAZ“ und „Faul und schlau!“ die „Zeit“. Als „unsicher, ziellos und wenig belastbar“ bezeichnete sie die „Huffington Post“ und der Jugendforscher Klaus Hurrelmann nannte sie eine Gruppe von „Egotaktikern“. Neutralere Analysen sagen der Generation Y nach, sie wolle Karriere und Elternrolle verbinden, Leistungsorientierung und Privatleben, Projektverantwortung und Homeoffice, Effizienz und Jobsharing. Diese jungen Menschen bringen zusammen, was scheinbar nicht zusammengeht. Ihre Wünsche scheinen unvereinbar – zumindest, wenn man sich am Modell früherer Generationen orientiert. Sie leben den Widerspruch. Aber sind das wirklich Widersprüche?
Was nicht passt, wird passend gemacht
Der Medienwissenschaftler Michael Haller hat die Lebens- und Arbeitswelt der Generation Y in einer groß angelegten Studie erforscht. Über ein Jahr hinweg hat Haller „Ypsiloner“ monatlich befragt und seine Erkenntnisse in dem Buch „Was wollt ihr eigentlich – Die schöne neue Welt der Generation Y“ veröffentlicht. Eine davon: In der Selbstwahrnehmung der Generation handelt es sich eben nicht um einen Widerspruch, wenn man Arbeit und Privatleben unter einen Hut bringen will, „sondern um Diskrepanzen, die aufgelöst werden können und müssen“, schreibt Haller. Für sie muss ein anspruchsvoller Job mit Zeit für Familie und Freunde vereinbar sein und auch Führungspositionen müssen es zulassen, Kinder zu bekommen.
Wenn die vorgegebenen Modelle nicht zu den eigenen Vorstellungen passen, werden sie eben passend gemacht. Die Generation Y fordert Veränderungen in der Arbeitswelt ein.
„Das Wort ,Balance‘ besitzt einen besonderen Stellenwert. Dabei geht es weniger um das Work-Life-Klischee, als darum, die verschiedenen Wünsche, Bedürfnisse und Interessen anzuerkennen und organisatorisch zu synchronisieren.“ Michael Haller, Medienwissenschaftler
Elisabeth Gruber und Barbara Holz haben in ihrem Unternehmen das Modell der Tandem-Spitze eingeführt. Seit sie Kinder haben, ist ihre wöchentliche Arbeitszeit von mindestens 40 Stunden zwar nicht weniger geworden. „Nur die Präsenz in der Firma hat sich reduziert“, sagt Barbara Holz. Die beiden 36-Jährigen arbeiten nun mehr von zuhause aus. Und: Bei der Kinderbetreuung übernehmen die Väter ihrer Söhne einen entscheidenden Teil. Barbara Holz’ Mann ist Vollzeit zuhause. Elisabeth Grubers Partner arbeitet in Teilzeit, für die restliche Zeit hat das Paar ein Kindermädchen. Wie viel die Unternehmer-Schwestern verdienen, wollen sie nicht preisgeben.
Natürlich tun sich die beiden Unternehmerinnen im eigenen Betrieb leichter als andere junge Menschen, die ihre Arbeitsbedingungen nicht so einfach den eigenen Vorstellungen anpassen können. Die beiden enthalten das Tandem-Modell aber anderen Mitarbeitern im Unternehmen nicht vor. Seit Juni teilen sich zwei Frauen in dem Straubinger Betrieb eine Stelle im Qualitätsmanagement. Elisabeth Gruber und Barbara Holz beobachten, dass das Jobsharing-Modell in den Köpfen von Unternehmern wie Arbeitnehmern noch nicht verankert ist. Deswegen sehen sie sich auch dazu berufen, Pionierarbeit zu leisten. „Das Tandem-System ist super gerade für Frauen, die viel in ihren Job investiert haben“, sagt Elisabeth Gruber. Und auch sie weiß: „Arbeit und Familie in Einklang zu bringen, bedeutet immer, dass etwas auf der Strecke bleibt.“
Einkommen junger Frauen und Männer im Vergleich
Diese Einschätzung bestätigen auch die statistischen Zahlen. Denn trotz neuer Arbeitsmodelle, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern, sind es nach wie vor die Frauen, die beruflich zurückstecken – auch in der Generation Y. Betrachtet man die Einkommensverteilung zwischen jungen Frauen und Männern, wird ein deutliches Gefälle sichtbar.
Was in den Daten des bayerischen Landesamtes deutlich auffällt: Bei den mittleren und höheren Einkommensgruppen sind junge Männer deutlich stärker vertreten als junge Frauen. Während das Einkommen von Männern in der Gruppe der 30- bis 35-Jährigen im Vergleich zur Gruppe der 25- bis 30-Jährigen deutlich steigt, bleibt das Einkommen von Frauen auf gleichem Niveau oder nimmt sogar ab. In der Einkommensgruppe ab 3600 Euro netto tauchen 30- bis 35-jährige Frauen in der Statistik gar nicht mehr auf – ganz im Gegensatz zu ihren männlichen Altersgenossen.
Das bayerische Landesamt für Statistik liefert qua Amt nur nüchternes Datenmaterial und keine Erklärung für das Einkommensgefälle. Insofern lassen sich die Zahlen nur interpretieren: In der Gruppe der 30- bis 35-jährigen Frauen nimmt die Zahl der Mütter im Vergleich zur jüngeren Altersgruppe zu – und damit sinkt das durchschnittliche Einkommen. Eine andere Möglichkeit: Frauen steigen in ihrer Gehaltsentwicklung nicht im gleichen Maße auf wie Männer. Diese Vermutung legt zumindest die Lücke in der Statistik bei Frauen ab einem Monatsgehalt ab 3600 Euro nahe. Während 30- bis 35-jährige Männer in diesen Gehaltsbereich vordringen, bleiben Frauen hier außen vor.
Glück wichtiger als Geld
Angelika Frey legt auf Geld keinen großen Wert. Die 30 Jahre alte Regensburgerin käme niemals auf die Idee, einen Job nur wegen lukrativer Gehalts- oder Karriereaussichten zu wählen, sagt sie. „Dafür ist mir Geld zu unwichtig, das war schon immer so.“ Angelika Frey ist seit 2014 bei CampusAsyl engagiert. Der gemeinnützige Verein unterstützt Geflüchtete und deren Integration in die Gesellschaft. Die ersten zwei Jahre nach der Gründung war Frey als freiwillige Helferin dabei. Seit Mitte 2016, seit der Verein eine Geschäftsstelle gründete und von dort aus Ehrenamtliche unterstützt und Projekte koordiniert, ist sie als Hauptamtliche angestellt. 20 Stunden pro Woche arbeitet die 30-Jährige in dieser Position – sie teilt sich eine volle Stelle mit einem Kollegen. „Daneben engagiere ich mich weiter ehrenamtlich für CampusAsyl“, sagt Frey. Bezahlung hin oder her.
„Karriere zu machen ist mir null Komma null wichtig. Viel wichtiger ist, dass mir mein Job Spaß macht und vor allem, dass er sinnvoll zur Welt beiträgt.“ Angelika Frey
Neben dem 50-Prozent-Job bei dem Verein arbeitet Angelika Frey sieben Stunden pro Woche im Büro für leichte Sprache in Regensburg, einer Einrichtung der katholischen Jugendvorsorge. Mit ihren 27 Stunden pro Woche kommt sie auf ein Nettomonatsgehalt von 1900 Euro. Das ist, verglichen mit Zahlen aus dem Entgeltatlas der Bundesarbeitsagentur, immerhin mehr, als ein durchschnittlicher Fachverkäufer in Bayern für eine Vollzeit-Tätigkeit verdient und kaum weniger als eine durchschnittliche Vollzeit-Bürokauffrau. „Das Geld muss natürlich reichen, das tut es aber auch bei mir“, sagt Angelika Frey. „Ich bin da genügsam.“
Das meiste Geld gibt sie im Alltag für Bio-Lebensmittel und Restaurant-Besuche aus – beim Essen möchte sie nicht sparen. Dafür besitzt Angelika Frey kein Auto, kauft ihre Kleidung überwiegend in Second-Hand-Läden ein und schafft generell viele Dinge gebraucht an, erzählt sie. „Ich habe keine großen Ansprüche und es bleibt trotzdem immer etwas übrig, das ich sparen kann.“
Dabei könnte die Regensburgerin mit Doktortitel vermutlich deutlich mehr verdienen. Nur legt die 30-Jährige viel mehr Wert auf ihre Ideale als auf Karriere. „Wichtiger ist mir der Sinn bei einer Sache.“
Selbstverwirklichung wichtiger als Wohlstand
So verschieden Angelika Freys Lebensentwurf zu dem der Unternehmer-Schwestern Elisabeth Gruber und Barbara Holz auch ist – auch ihr Beispiel ist typisch für die Generation Y. Denn die Bedeutung von finanziellem Wohlstand für junge Leute nimmt offenbar ab. „Glück schlägt Geld“ ruft Kerstin Bund, Wirtschaftsredakteurin der „Zeit“ und 35 Jahre alt, in ihrem gleichnamigen Buch als Motto ihrer Generation aus. „Harte Anreize wie Gehalt, Boni und Aktienpakete treiben uns weniger an als die Aussicht auf eine Arbeit, die Freude macht und einen Sinn stiftet“, schreibt Bund. Geld sei den jungen Leuten trotzdem nicht komplett unwichtig. Aber: „Sinn zählt mehr als Status.“
Kerstin Bund spitzt in ihren Aussagen zu, übertreibt in manchen Punkten und spricht pauschal für eine ganze Generation. Und trotzdem: Ihr Motto wird auch durch die empirischen Daten gestützt, die Medienwissenschaftler Haller für seine Studie erhoben hat. „Für jeden Zweiten ist Selbstverwirklichung wichtiger als Wohlstand“, so das Ergebnis von Hallers Umfrage. „Hierzu passt, dass man Zeit zur freien Gestaltung haben möchte und diese Qualität für wichtiger hält als schnellen Einstieg und Aufstieg.“
Die eigenen vier Wände
Wenn Markus Grassmann Geld ausgibt, dann gleich richtig: Gerade hat er sich ein Haus gekauft. Der 28-Jährige aus Neunburg vorm Wald im Landkreis Schwandorf macht keinen Hehl daraus, dass das finanzielle Auskommen für ihn eine Rolle spielt.
„Es ist mir wichtig, dass ich so viel habe, dass ich gut leben kann. Und das habe ich.“ Markus Grassmann
Markus Grassmann arbeitet in einem kleinen Neunburger Unternehmen als Industriemeister Metall. Vor sechs Jahren hat ein guter Freund die Firma gegründet, der 28-Jährige ist von Beginn an dabei. Aus anfänglich drei Mitarbeitern sind inzwischen 52 geworden. Demnächst macht der Betrieb ein neues Werk auf, das Markus Grassmann als Werksleiter übernehmen wird. Für ihn bedeutet dieser Karriereschritt auch eine finanzielle Verbesserung. Wie viel er verdient, möchte er gegenüber der Mittelbayerischen nicht sagen. Nur so viel: „Für Neunburger Verhältnisse auf jeden Fall nicht schlecht.“
„Es ist schon ein schönes Gefühl, einen Karrieresprung zu machen. Aber ich hab‘ mir auch schon manchmal gedacht: So ein einfacher Job, bei dem man 40 Stunden arbeitet, dann nach Hause geht und seine Ruhe hat – das wär‘ auch manchmal nicht schlecht.“ Markus Grassmann
Für das neue Eigenheim hat Grassmann 115 000 Euro bezahlt und es zum Großteil aus Rücklagen finanziert. „Ich hab’ schon immer gespart und hatte Geld zur Seite gelegt.“ Gemeinsam mit seiner Freundin Theresa Bucher ist er gerade umgezogen und hat das Haus zuvor mit der Hilfe von Freunden renoviert.
Mit seinen 28 Jahren ist Markus Grassmann im Bayern-Vergleich ein besonders junger Hausbesitzer. Laut 4. Sozialbericht des Bayerischen Sozialministeriums wird Wohneigentum meist im Alter von 35 bis 45 Jahren erworben. Dazu kommt: Längst nicht jeder kann sich eine eigene Immobilie leisten, gerade in Ballungsgebieten steigen die Preise massiv. An ein Haus für 115 000 Euro ist im Raum Regensburg nicht mehr zu denken. Laut Immobilienpreisspiegel kostet ein Haus mit 160 Quadradmetern Fläche in Regensburg etwa 645 000 Euro im Durchschnitt. Für 115 000 Euro bekommt man demnach gerade einmal eine 24-Quadratmeter-Wohnung.
Auch in Sachen Wohnraum fällt Markus Grassmann aus dem Rahmen. Von der bisherigen 80-Quadratmeter-Wohnung hat sich seine Fläche im neuen Haus mit 160 Quadratmetern verdoppelt. Grassmann steht finanziell gut da, nach typischen Statussymbolen strebt er aber trotzdem nicht. „Ich muss nicht mit dem Porsche herumkurven, um glücklich zu sein.“ Mit seinem Opel ist er rundum zufrieden.
Klar ist: Elisabeth Gruber, Barbara Holz, Angelika Frey und Markus Grassmann genießen finanzielle Sicherheiten und Spielräume. Keiner der vier muss sich um Geld große Sorgen machen. Insofern lassen sich ihre Fälle nicht auf alle „Ypsiloner“ übertragen.
Medienwissenschaftler Michael Haller aber trifft Aussagen über die gesamte Generation Y. Eine davon ist auch: Diese jungen Leute legen großen Wert darauf, als Individuen mit eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Interessen anerkannt zu werden. Und dabei geht es nicht ums Geld.