In Deutschland ist es gut um die Pressefreiheit bestellt . Doch freie Berichterstattung stößt auch hierzulande manchen auf.
Mit den Journalisten ist es wie mit der Freiheit. Es ist gut und wichtig, dass es sie gibt. Darin werden sich all jene einig sein, die Wert auf Demokratie und Menschenrechte legen, die für freien Ausdruck und gegen Zensur und Repressionen sind. Trotzdem gibt es dieses „aber“. „Ich möchte Ihnen nicht in Ihre Arbeit hineinreden, aber… “, hört man als Journalist immer wieder. Was folgt, reicht von gut gemeinten Ratschlägen bis zum Versuch, Texte zu beeinflussen, bevor sie veröffentlicht werden. Als Journalist genießt man hierzulande die Freiheit, das Recherchierte trotzdem ungekürzt und unverändert zu berichten – zum Glück. Freunde macht man sich damit nicht immer.
Journalisten schenken Aufmerksamkeit, aber sie lenken sie auch. Ersteres kann für die Abgebildeten eine Wohltat sein. Da führt jemand ein Interview und hört geduldig zu, interessiert sich für die Meinung seines Gegenübers und notiert sorgfältig das Gesagte. Im besten Fall gefällt sich der Zitierte in dem Licht, in das er gerückt wird, und bekommt eine willkommene Plattform. Aufmerksamkeit kann Balsam für die Seele sein.
Es sei denn, der Journalist lenkt die Aufmerksamkeit in eine für den Abgebildeten missliebige Richtung. Dann können die Fragen zur Last und das offene Ohr zur Strapaze werden. Dann deckt der genaue Blick womöglich auf, was eigentlich im Verborgenen bleiben sollte.
In Zeiten, in denen Nationalisten und Autokraten auf dem Vormarsch sind und die Pressefreiheit in vielen Regionen der Welt bedroht ist, stocken Redaktionen weltweit ihre Investigativ-Teams auf. Auch die Mittelbayerische deckte durch beharrliche Recherche den lokalen Skandal um den Ex-Investor des SSV Jahn Regensburg auf und berichtet kontinuierlich und kritisch über die Regensburger Korruptionsaffäre. Der Aufschwung des Investigativen ist die positive Kehrseite politischer Entwicklungen, die Sorgen bereiten. Was den Enthüllten eine Qual ist, ist den Enthüllern ein Erfolg. Es ist alles eine Frage der Perspektive.
Freiheit kann auch Last sein
Auch die Freiheit kennt zwei Seiten: die „Freiheit von“ und die „Pflicht zu“. Die Freiheit von Zensur und Repression ist unbedingt erstrebenswert. Deutschland steht im internationalen Vergleich in Sachen Pressefreiheit gut da. Medienschaffende können hierzulande weitgehend frei von staatlicher Repression und Gewalt berichten.
Zur Freiheit der Berichterstattung gehört die Pflicht zur Wahrheit. Bei jedem Text gilt es aufs Neue, den Gesprächspartnern gegenüber fair und zugleich kritisch zu sein; die Worte mit Bedacht, aber ohne Schranken im Kopf zu wählen. Das Ergebnis dieser Arbeit gefällt Lesern nicht immer. Das ist Preis der Freiheit: Journalisten kassieren für ihre Arbeit oft Kritik, manchmal Anfeindungen. Die Freiheit kann auch Last sein.
Natürlich sind das Klagen auf hohem Niveau. Denn in vielen Ländern wird freie Berichterstattung unmöglich gemacht und jede Enthüllung von vornherein verhindert. Nicht nur in Nordkorea, China, der Türkei oder Russland, von wo die Unterdrückung freier Berichterstattung weithin bekannt ist, ist es schlecht um die Pressefreiheit bestellt. Auch in Europa gibt es beunruhigende Entwicklungen.
Pressefreiheit in Europa immer mehr bedroht
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichte vor Kurzem die Rangliste der Pressefreiheit für 2018. Eine bittere Erkenntnis aus dem Bericht: In keiner anderen Region haben sich die Bedingungen für Journalisten wie Künstler im vergangenen Jahr so sehr verschlechtert wie in Europa. „Hass und Verachtung gegen Journalistinnen und Journalisten zu schüren, ist in Zeiten des Vormarschs populistischer Kräfte ein Spiel mit dem Feuer“, sagte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger. „Leider erleben wir das zunehmend auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.“ Ein schlechtes Zeugnis stellen ROG etwa Ungarn (Platz 73 von 180 untersuchten Staaten und Territorien), Malta (65) oder Polen (58) aus. Allerdings sind es auch europäische Länder wie Norwegen (1) und Finnland (4), in denen es um die Pressefreiheit besonders gut bestellt ist. Deutschland steht auf Platz 15.
eorg Baselitz wählt den Weg der Kunst, um auf bedrohte Freiheiten hinzuweisen. Der renommierte Maler und Bildhauer stellt zum Tag der Pressefreiheit sein Bild „Frau am Abgrund“ zur Verfügung, das die Mittelbayerische oben abbildet. Normalerweise überlässt Baselitz, der im Januar 80 Jahre alt wurde, die Interpretation seiner Werke lieber dem Betrachter.
Mahnung des Künstlers
Zu diesem Bild aber sagt er anlässlich des 3. Mai: „Presse und Kunst gehören nicht in die Obhut des Staates. Wer anderes propagiert, manövriert die freie Gesellschaft ins Verderben.“
„Frau am Abgrund“ ist eine Anspielung auf das Werk „Frau mit Raben am Abgrund“ von Caspar David Friedrich, deswegen die Initialen C.F.D. unten rechts im Bild. Das Bild zeigt eine Figur, die auf dem Kopf steht oder in die Tiefe stürzt. Die zweite Figur an ihrer Seite könnte ihr Schatten sein. Man kann das Werk als Allegorie für die bedrohte Freiheit der Presse, der Kunst oder der freien Gesellschaft verstehen. Oder aber die Betrachter finden in Baselitz’ Sinne eigene Interpretationen. Es ist eine Frage der Perspektive. Und die soll unbedingt frei sein – nicht nur am 3. Mai.
Den Text zum Tag der Pressefreiheit gibt es auch hier auf mittelbayerische.de.