Die Sorge über Antisemitismus unter Migranten wächst. Juden in der Oberpfalz verunsichert. Es gibt Wege, um gegenzusteuern.
Bevor Elias Dray außer Haus geht, steht immer eine Entscheidung: Zeigt er sich mit Kippa oder lieber nicht? Unbeschwert macht er den Schritt aus der Wohnung auf die Straße kaum noch. „Ich fühle mich nicht mehr so sicher wie vor zehn Jahren, definitiv nicht“, sagt der Rabbiner, der im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Amberg ist. Geboren und aufgewachsen ist Dray in Amberg. Heute lebt er zur einen Hälfte in seinem Oberpfälzer Heimatort, zur anderen in Berlin. Dass ihm Schläge angedroht werden, wenn er sich als Jude zu erkennen gibt, dass er in sozialen Medien im Netz mit Sätzen wie ,Der Holocaust ist eine Lüge‘ konfrontiert wird, erlebt Dray immer wieder. Wegen Holocaustleugnung hat er bereits eine Anzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Nicht nur für Dray, für viele Juden wachsen das Unbehagen und die Angst vor Anfeindungen.
Auch Patricia Broser ist vorsichtig geworden. Für die Lehrerin aus Schwandorf geht es nicht um ihre eigene Religion. Aber ihre Worte wählt sie heute mit Bedacht. Anfang Februar äußerte sich Broser in der Wochenzeitung „Die Zeit“ unverblümt über einen Antisemitismus, der ihr im Unterricht mit Flüchtlingen begegnet. Broser unterrichtet Integrationsklassen am Beruflichen Schulzentrum in Schwandorf. Was sie von jungen arabischen Zuwanderern immer wieder zu hören bekommt, ist harter Tobak.
Dem Hass keinen Vorschub leisten
Die Lehrerin zitierte Schüler mit Aussagen wie ,Hitler war doch super‘ oder ,Israel will die Weltherrschaft an sich reißen‘. Jede dieser Äußerungen ist im Unterricht tatsächlich so gefallen. Trotzdem will die Lehrerin sie heute differenzierter einordnen: Nicht alle Flüchtlinge sind Antisemiten und der Antisemitismus ist nicht allein mit den Flüchtlingen zu uns gekommen. Seit Broser nach ihren Äußerungen in der Zeitung selbst angefeindet wurde, ist sie sensibler geworden. Sie will keinem Hass Vorschub leisten – weder gegen Juden, noch gegen Flüchtlinge.
Patricia Brosers Schüler sind zwischen 16 und 21 Jahre alt, sie stammen zum Großteil aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Äthiopien. Die Diskriminierung von Juden gehe aber nur von arabischstämmigen Flüchtlingen aus, sagt Broser. Und sie habe politische Gründe, keine religiösen. „Die Form von Antisemitismus, die wir in Deutschland bisher kannten, ist eine andere, als die, die jetzt mitgebracht wird, weil die Gründe andere sind.“ Was Broser hier benennt, lässt sich auch als Antiisraelismus bezeichnen.
Zwei Seiten eines Problems
Es gibt diese zwei Seiten: Den „hausgemachten“ Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft, der durch das Erstarken rechter Kräfte neu befeuert wird auf der einen; den importierten Antisemitismus unter arabisch-muslimischen Migranten auf der anderen – das sieht Rabbiner Dray mit großer Sorge. „Es ist diese Zange, die ich fühle, von beiden Seiten.“
Auch Humam Sari macht keinen Hehl daraus, dass mit Zuwanderern eine neue Form der Judenfeindlichkeit nach Deutschland kommt. Der Syrer ist selbst vor drei Jahren nach Deutschland geflohen und studiert jetzt an der OTH Regensburg Bauingenieurwesen. „Von unserer Regierung wird die Idee verbreitet, dass Israel der Feind ist. Das ist verwurzelt, von der Kindheit an“, sagt der 28-Jährige. „Es ist auch in den Medien. Jeder Jude gilt als Verräter.“ Die politischen Vorbehalte gegenüber Israel haben ihren Ursprung meist im Nahostkonflikt, das macht auch Sari im Gespräch deutlich. In arabischen Ländern wie Syrien oder dem Irak sind sie in der Zivilbevölkerung tief verwurzelt und werden durch viele Kanäle verstärkt: durch staatlich gesteuerte Medien, tendenziöse Fernsehsendungen und Filme, sogar durch Schulunterricht.
Das komplette Feature zum Hass unter arabischen Zuwanderern gibt es hier!