Kleines Wörtchen, großer Ärger

„Ich will Ihnen nicht in Ihre Sache hineinreden, aber … .“ Der Satz fiel in einem Recherche-Gespräch über den WAA-Widerstand. „Aber“ also.

„Ich will Ihnen nicht in Ihre Sache hineinreden, aber … .“ Der Satz fiel heute in einem Gespräch zur Recherche über den WAA-Widerstand (also jene große Protestbewegungen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf vor 30 Jahren). Gesagt hat ihn ein älterer Herr (70plus), mit dem ich bei der Recherche schon früher zu tun hatte. Wir sprachen am Telefon über die bevorstehende Podiumsdiskussion zum WAA-Widerstand, die ich moderiere. Peter Gauweiler und Hans Schuierer sitzen auf dem Podium, zwei zentrale Kontrahenten in diesem Protest. Schuierer aufseiten meines heutigen Gesprächspartner, Gauweiler auf der anderen.
Der Herr wollte mir also nicht in meine Moderation hineinreden, mir diskreterweise keine Tipps geben, wie ich den Abend zu gestalten und welche Fragen ich zu stellen habe. Aber eben „Aber“. Kleines Wörtchen, großer Ärger. Denn was folgte, war alles andere als diskrete Zurückhaltung, sondern dreiste Einmischung in meinen Job. Er und seine Mitstreiter überlegten sich schon Fragen für den Abend, sagte er, er habe auch Tipps, wie ich mich gerade auf Gauweiler vorbereiten könne, und ob ich denn schon wisse, wie ich den Abend strukturiere. So ging das. Und noch weiter. Bitte was?
Ich muss dazu sagen, warum wir überhaupt telefonierten: Ich rief ihn an, weil er mich bei der ausgebuchten Veranstaltung um drei Plätze für ihn und zwei seiner Mitstreiter bat. Ich sagte ihm die Plätze zu und bekam keine Antwort. Weil die Nachfrage nach Plätzen hoch ist und wir mit den begrenzten Kapazitäten streng haushalten müssen, wollte ich seine Bestätigung bekommen. Sonst hätte ich die Plätze wieder freigegeben. Meinen Anruf nahm er dann zum Anlass für seine Belehrung.
Man muss wissen: Die WAA-Zeit hat es in sich. Es gibt in dieser Region kaum eine(n) Plus-60-Jährige(n), der keine persönlichen Erinnerungen an diese Zeit hat. Häufig – so meine Erfahrung aus der Recherche – wird es zur Selbstnarration. Es geht um Emotionen, um politisches Aufbegehren, um Mut und Unerschrockenheit und die eigene Politisierung. Es gibt Hunderte verschiedene Erzählungen ein und desselben Ereignisses. Jeder erzählt seine eigene Geschichte. Und jeder der früheren Widerständler natürlich Geschichte geschrieben. Nach drei Wochen Recherche zu diesem Thema meine ich: Es geht um nichts weniger als Deutungshohheit über die Geschichte.
Da kommt eine 30-jährige Reporterin doch gerade recht, um ihr einmal zu erklären, wie das alles wirklich war. Jung und weiblich – für Oberpfälzer Ex-Protestler offenbar eine gute Adresse, um dem eigenen Weltbild im Allgemeinen und dem WAA-Bild im Speziellen Ausdruck zu verleihen. Ich weiß nicht, wie sich die Rede gegenüber „jung und männlich“ oder „älter und weiblich“ oder „älter und männlich“ gestaltet. Ich kenne nur die eine Perspektive, habe nur die eine Haut, in der ich stecke. Aber auf der stellten sich heute vor Empörung die Haare auf.

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