Das Dschungelcamp und ich

Darf man guten Gewissens Dschungelcamp gucken? Oder muss sich jeder, der etwas auf Bildung hält, entsetzt abwenden? Ich finde, man darf. Nur: Ich will nicht. Bloß nicht. 

Zehn Tage lang habe ich hart mit mir gerungen. Ich wusste, ich muss. Aber ich merkte, ich kann nicht. Ich muss das RTL-Dschungelcamp schauen, zumindest einmal, bevor ich mir eine Meinung bilde und diese anderen mitteile. Aber es ging nicht. Die wenigen Dschungelcamp-Erlebnisse der vergangenen Jahre haben sich so nachhaltig eingeprägt, dass meine Abneigung auch dieses Jahr noch nachwirkt. Für mich ist die Aufgabe, diese Reality-Show anzuschauen, so unangenehm wie es für andere Backofen-Putzen oder ein Zahnarztbesuch sein mag. Es tut weh, physisch weh. Kurz und gut: Ich hab die Abwehr überwunden, den Schweinehund besiegt, ich hab es geschaut, es war furchtbar.

Alles nicht schön

Es ist doch nicht schön, wenn sich vermeintliche (!) Promis in vermeintlicher (!) Dschungel-Abgeschiedenheit zum Affen machen. Nicht schön, wenn Tatjana Gsell vor laufenden Kameras von ihren vielen alkohol- und sexsüchtigen Ex-Partnern erzählt, im Flüsterton, damit es auch ja keiner hört; wenn sich Ansgar Brinkmann und Daniele Negroni in Kakerlaken und Maden wälzen und damit vermeintliche (!) Tapferkeit beweisen; und wenn, von allem am peinlichsten, die Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich, mitten im Regenwald aufgesetzte Coolness und Gebleichte-Zähne-Grinsen in die Kamera recken. Die Verantwortung für den unsäglichen Zirkus trägt nicht allein der Privatsender RTL, der diesmal keine unbedarften Menschen vor Millionenpublikum bloßstellt, um die Quoten zu steigern. Klar, die Quoten müssen stimmen. Aber die Menschen, die sich hier präsentieren, sind medienerfahren und tun das in vollem Bewusstsein – zumindest darf man das voraussetzen. Das macht das Ekel-Spektakel nicht besser. Im Gegenteil.
Diese klare Absage an das Dschungelcamp hat nichts mit studierter Hochnäsigkeit oder bildungsbürgerlicher Arroganz zu tun. Ja, ich höre gerne Deutschlandradio, aber ich schaue auch mal „The Voice of Germany“. Ich lese den Politikteil in Zeitungen, aber will trotzdem wissen, für welche Youtube-Stars die Teenie-Massen schwärmen oder wie lange die Queen noch durchhält. Allen, die das Dschungelcamp ablehnen, pauschal elitären Hochmut vorzuwerfen, ist zu kurz gedacht. Diese Show nicht zu schauen, ist nicht elitär. Es ist reine Psychohygiene – allem Vorwurf übertriebener Political Correctness zum Trotz.

Fachsimpeln muss nicht sein

Und überhaupt: Ist es nicht selbstgefällig, das Dschungelcamp nur einzuschalten, um nachher dem vermeintlich (!) einfachen Volk erklären zu können, warum es auf diese dumpfe Unterhaltung hereinfällt? Man schaut die Show an. Aber nur, um kulturwissenschaftlich und medientheoretisch fachsimpeln zu können. Überheblich ist nicht die kategorische Absage an die Show. Überheblich ist höchstens, sich dafür zu rühmen, die Wirkung der Medien völlig zu durchschauen und anderen, weniger geisteswissenschaftlich Geschulten das eigene Wissen unter die Nase zu reiben.
Mit Dschungelcamp-Wissen werde ich sicher kein Streitgespräch für mich entscheiden. Das ist nicht schlimm. Denn diese Show ist für mich unerträglich. Um das festzustellen, braucht es keine moralisch aufgeladene Debatte. Es ist einfach Geschmackssache. Und über Geschmack lässt sich – naja, Sie wissen schon.

Der Text stammt aus einem Streitgespräch über das Dschungelcamp. Die zwei konträren Meinungen sind hier nachzulesen.

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