1988 markiert den Anfang vom Ende der Atomanlage in Wackersdorf. 30 Jahre danach frage ich die schärften Kontrahenten von damals: Wie weit darf Protest gehen?
Die Geschichte steckt auch in Bildern. In Fotos und Videos Hunderter Demonstranten, die sich vor dem Bauzaun um die hart umkämpfte Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf versammelt haben, ausgerüstet mit Transparenten und Plakaten. „Nein zur Atompfalz“, „Maxhütte ja – WAA nein“, „Baustopp – jetzt sofort!“ – die Spruchbanner wehen über dem Meer aus widerspenstigen Köpfen. Ihnen gegenüber die Polizei. In Hundertschaften marschiert sie auf, verschanzt sich hinter Schutzschilden und Vollvisierhelmen. Gegner und Ordnungskräfte stehen sich gegenüber: Front gegen Front.
Die Kämpfe wurden am Zaun, aber auch vor Gericht ausgetragen. Nach langen, zähen Verfahren um die Genehmigung der Nuklearanlage kam am 29. Januar 1988 der Durchbruch für die WAA-Gegner: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erklärte den Bebauungsplan von Wackersdorf für nichtig. Dieser Tag vor 30 Jahren leitete den Anfang vom Ende der WAA ein.
Die Fronten prallen am Zaun aufeinander
Doch bis es dazu kam, prallten die Fronten am Bauzaun immer wieder aufeinander. Auf der einen Seite die Polizei mit Schlagstöcken und Reizgas, auf der anderen vermummte Gestalten mit Steinen und Molotowcocktails. Gerangel, Festnahmen, Knüppelschläge – all das dokumentieren die alten Aufnahmen der WAA-Proteste. Sie sind ein Teil dieser Geschichte, die die Oberpfalz geprägt hat. Ein anderer Teil steckt in persönlichen Erinnerungen: So kontrovers die Positionen damals waren, so unterschiedlich fällt der Rückblick heute aus.
Eine Geschichte, viele Erinnungen
Peter Gauweiler stand aufseiten der bayerischen Staatsregierung. Als damaliger Staatssekretär im Innenministerium sollte er die umstrittene Atomfabrik in der Öffentlichkeit verkaufen – koste es, was es wolle. Ihm gegenüber Hans Schuierer. Der frühere Landrat im Landkreis Schwandorf wurde zum politischen Fürsprecher der WAA-Gegner, nahm die Menschen mit Kampfgeist und Charisma für sich und die Sache ein. Michael Hinrichsen, damals als Polizist am Bauzaun, musste die Anlage vor Aktionen der Demonstranten schützen. Rechtsanwalt Wolfgang Baumann vertrat die Demonstranten juristisch und führte die Prozesse vor Gericht zum Erfolg.
Dass sich mit den Protesten in der Oberpfalz etwas grundlegend verändert hat, darin sind sich heute alle einig. Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Proteste Wirkung zeigten: Die WAA wurde nie gebaut. Obwohl die damaligen Akteure Teil ein und derselben Geschichte sind, weichen ihre Erinnerungen stark voneinander ab.
Das Feature ist Teil eines großen Themenprojekts zur WAA und politischem Widerstand heute. Alle Texte des Projekts sind hier gebündelt.
Begleitend zum Themenprojekt findet eine Podiumsdiskussion mit Peter Gauweiler, Altlandrat Schuierer und MZ-Redakteur Heinz Klein am 1. Feburar 2018 statt. Ich werde den Abend in Regensburg moderieren. Weitere Infos dazu gibt es hier.
Ein Interview mit dem Rechtanwalt der WAA-Gegner Wolfgang Baumann ist hier zu finden.