Leyla Bilge ist 36 Jahre alt, vor 30 Jahren aus der Türkei nach Deutschland geflohen, heute nach eigener Aussage stolz eine Deutsche zu sein mit kurdischen Wurzeln, Mitglied der AfD – und trägt eine schwarze, bodenlange Burka. Zuerst. Dann lässt sie die Hüllen fallen. Darunter kommt ein knallenges Mini-Kleid in schwarz-rot-gold zum Vorschein. Leyla Bilge macht in Rieden im Landkreis Amberg-Sulzbach Wahlkampf für die AfD. Wahlkampf, man könnte auch sagen Populismus. Die Partei bekam in Rieden 22 Prozent der Stimmen. 7 Prozent mehr als die SPD, sie wurde damit zweitstärkste hinter der CSU.
Mit dieser Szene vom 14. September beginnt ein Text über die AfD, den ich heute für die Mittelbayerische Zeitung geschrieben habe. Ich schaue mir dafür Gemeinden im Verbreitungsgebiet der Zeitung an, in denen die AfD überdurchschnittlich gut abschnitt. Zwanzig Prozent und weit mehr – das gibt es nicht nur in Ostdeutschland. Auch in Ostbayern findet man einige dieser Orte. Ich spreche mit Bürgern, Bürgermeistern und AfD-Politikern. Und frage mich, wie man angemessen darüber berichten kann, ohne der AfD wieder einmal eine Bühne zu bieten für ihren Populismus, ihre Ausgrenzung und Hetze. Es kommt mir manchmal so vor, man kann es nur falsch machen: Wenn man über sie schreibt. Und wenn man es nicht tut.
Leyla Bilges Auftritt ist einer der Gründe, warum die AfD in Rieden so gut abschnitt, sagt der örtliche Kreisvorsitzende Werner Meier. Frauke Petry war auch vor Ort, ihr Auftritt war noch besser besucht als der von Leyla Bilge. Populismus und Präsenz – laut Meier sind das zwei der Erfolgsfaktoren in der Region. Von Inhalten, Konzepten und politischer Überzeugungsarbeit spricht der AfD-Mann nicht. In Oberpfälzer Gemeinden wie dieser bekommt man den Eindruck, dass es vielen AfD-Wähler tatsächlich nicht um Inhalte ging. Simple Parolen, eine Plattform für Sorgen, Ärger und Wut, Protest gegen die Etablierten, vor allem die CSU. Dreimal P. Das ist die Erfolgsformel der AfD in der Region. Dieser Eindruck bleibt nach der Recherche haften.
Dem Wahlerfolg tat es keinen Abbruch, dass die Partei in sich extrem widersprüchlich ist. Sie will die türkische Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen“ (Gauland) und Jérôme Boateng (Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers) lieber nicht zum Nachbarn haben (auch Gauland) – und betreibt Wahlkampf mit einer deutsch-türkischen Migrantin, die sich selbst als Vorzeige-AfD-Frau inszeniert. Sie beschwört die traditionelle Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ – und wählt eine lesbische Frau zu ihrer Spitzenkandidatin. Sie macht mit rechtspopulistischen bis -extremen Aussagen von sich reden – und inszeniert sich selbst als Hüterin des Rechtsstaates. All das geht nicht zusammen. Trotzdem gehört es zum Bild der AfD. Widerspruch und Desorientierung sind im Gesamtpaket mitinbegriffen.
Gerade das macht es so schwierig, die AfD in Texten zu fassen. Ich habe es heute trotzdem getan. Denn ohne Schreiben geht es nicht.