Allein unter Männern

Olga Redda ist die erste Frau in der Geschäftsführung der IG Metall Regensburg. Sie kämpft gegen etwas Unausgesprochenes.

Es ist wie jeden Montag. Sie sitzt aufrecht neben dem Grauhaarigen. Ihre grünen Augen stehen weit offen. Er begrüßt die Gewerkschafter. Sie sitzt aufrecht. Der alte Kämpfer hustet schwer vom vielen Rauchen. Von ihr nicht mal ein Blinzeln. Sein Gehstock hängt an der Rückenlehne und schaukelt hin und her. Sie sitzt aufrecht. Auf dem Papier sind Olga Redda und Gerhard Pirner, den sie hier alle nur Lucki nennen, gleichgestellt. Beide sind Geschäftsführer der IG Metall in Regensburg. Doch an diesem Tisch gehört die Stirnseite ihm, und ihr die Seitenflanke.

Immer um 10 Uhr kommen die Metaller in Regensburg zusammen. Sechs Frauen und fünf Männer sitzen um den Tisch. Die Praktikantin hat Brezenstangen, Croissants, Quarkbällchen, frische Heidelbeeren, grüne Trauben und Kirschen serviert. Lucki sagt: Das hat sie gut gemacht. Die Männer am Tisch reden. Über die harten Verhandlungen, die sie in Betrieben führen, von ihren Kämpfen und Erfolgen. Die Frauen hören zu.

Gegen etwas Unterschwelliges

Und Olga Redda redet, von ihren Verhandlungen, ihren Kämpfen, ihren Erfolgen. Sie sitzt aufrecht und spricht über die Tarifverhandlungen in der Schweizer Group in Roding, Landkreis Cham. Die Gießerei produziert Motoren, Getriebe und Elektronik für die Automobilindustrie. Viel Metall, viele Männer. 128 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, 105 Männer, 23 Frauen. Olga Redda kämpft für die Rechte der Arbeitnehmer. Das ist das eine.

Aber sie kämpft immer auch gegen etwas Unterschwelliges, Unausgesprochenes an, es sind Blicke, beiläufige Bemerkungen, kleine Gesten. Und über allem schwebt immer diese eine Frage, wenn sie in so eine Metall-Männer-Welt hineinstakst, mit ihren 35 Jahren, auf hohen Schuhen, im taillierten Jäckchen: Schafft die das denn auch? Als würden Frauen in Gießereien schmelzen, als würden sie schon beim ersten beherzten Männerhandschlag einknicken. „Schafft dieses junge Ding das? Mit dieser Frage muss ich natürlich umgehen“, sagt sie.

Bei den Verhandlungen in der Schweizer Group hatte Olga Redda großen Erfolg. Die Gehälter werden um 4,8 Prozent angehoben. Auch die der Männer.

Mit Paragrafen für Respekt

Sie trägt ein schwarzes Kleid, das mit kleinen bunten Pelikanen bedruckt ist. Es fällt locker bis zu den Knien, kaschiert ihren schwangeren Bauch. Lucki kaut an seiner Brezenstange. In seiner Brusttasche eine Packung rote Gauloise. Olga Redda nimmt Trauben, eine nach der anderen, wie kleine Diamanten hält sie sie zwischen Zeigefinger und Daumen.

Luckis rechter Fuß wippt. Olga Reddas Füße stehen still, sie trägt lachsfarbene Sandalen mit hohem Absatz. Dann erzählt, sie, was sie in dieser Woche gemacht hat: Am Dienstag sprach sie im Technologiekonzern Continental über Digitalisierung und Arbeit 4.0. Am Mittwoch ging es beim Maschinenbauer A-Z Formenbau um faire Gehälter. Am Donnerstag setzte sie sich bei einer Frauenkonferenz dafür ein, dass Frauen nach der Teilzeit wieder voll arbeiten können. Am Freitag und Samstag erarbeitete sie ein Positionspapier zum Umgang mit der AfD. Lucki geht rauchen.

Um sich bei Verhandlungen durchzusetzen, helfen Olga Redda die Paragrafen. Sie sind das Werkzeug, mit dem sie als Juristin hantiert. Mit den Paragrafen verschafft sie sich Respekt: Das „junge Ding“ kennt sich mit den Rechten der Arbeiter aus. Während des Jurastudiums in Berlin hat Olga Redda selbst in einem Betrieb gearbeitet. Ihr damaliger Chef hat am Jahresende jeden Mitarbeiter zu sich geholt und Weihnachtsgeld verteilt. Jeder im Büro sah, wer mit einem Umschlag herauskam und wer nicht. Sie kam mit einem Umschlag heraus, in dem ein volles Monatsgehalt steckte. Sie fand es trotzdem absurd.

Das vollständige Porträt gibt es hier!

 

Veröffentlicht in Work